Breaking the Rules

Es ist irgendwie verrückt. Man ist so weit von zuhause entfernt, aber irgendwie kommt es einem doch nicht so vor, aber irgendwie doch. Ein schwer beschreibbarer Zustand. So viele Dinge sind anders: Die Sprache, die Schriftzeichen die Gepflogenheiten und Regeln. Andererseits ist doch so vieles genauso wie in der Heimat. Ich kann mich frei und furchtlos in der Stadt in der ich Lebe bewegen, man findet eigentlich auf Anhieb immer alles was man braucht und die „Internationale-Blase“ in der ich mich aufhalte, verstärkt das Gefühl zuhause zu sein. 11923068_866621356758647_805147886_nWenn ich dann aber z.B. im Supermarkt stehe, fängt wieder und wieder ein kleines Abenteuer an. Alles was man macht ist besonders und aufregend. Man lebt in den Tag hinein. Alles fühlt sich irgendwie, wie Urlaub an und wird sich wohl auch in meinem Jahr nie zu einem „Alltag“ wie ich ihn gewohnt bin wandeln. Es wird wohl höchstens einen „Seoul-Alltag“ geben, sobald die Uni losgeht.

In dieser Woche habe ich bereits meine ersten Kurse. Die Graduate School bietet Veranstaltungen für Masterstudierende und Doktoranden an. Leider werden die für mich interessanten Soziologie und Statistik-Seminare aber alle auf koreanischer Sprache gehalten. Also habe ich etwas meinen Lehrplan umdisponiert und werde mich im Bereich Politik und European Studies weiterbilden. Am Montag geht’s dafür mit „International and Comparative Politics and Law“ los. Dienstags werde ich das „Seminar on Korea EU Relations“ besuchen. Ich bin wirklich gespannt auf die Lehre hier und wie die EU in Korea dargestellt wird. Die Dozenten hier sind meistens Koreaner_Innen, die einen Teil ihrer Ausbildung in Europa oder Amerika genossen haben. Die Unterrichtszeit dauert in den meisten regulären Veranstaltungen (und so auch bei mir) drei Stunden mit zwei 10 minütigen Pausen. Wirklich intensiv geht es mit der Uni für mich dann aber wortwörtlich nächste Woche mit dem „Intensive Korean Language Course“ los. Dabei werde ich täglich von 9 bis 13 Uhr koreanisch in Schrift sowie Wort lernen. Zudem habe ich gehört, dass einem zudem die koreanische Kultur noch näher gebracht wird.

Das finde ich ziemlich wichtig. Man liest so viel im Voraus (z.B. die Taschentuchproblematik, siehe Artikel vom 25.08.2015) und erlebt es in der Realität dann aber wieder ganz anders und aus dem eigenen subjektiven Blickwinkel. Dieser wiederum, wird durch das Gelesene und die dadurch entstandene Erwartungshaltung geprägt und beeinflusst. Dann vermischt sich auch noch das Akzeptanzverständnis zwischen den Altersgruppen. Was für den Kommilitonen an der HUFS, der bereits mit ausländischen Studierenden in Kontakt gekommen ist, okay und normal ist, empfindet der etwas ältere koreanische Mann vielleicht als Frechheit und unerhört. Es überwiegt dabei das Bedürfnis, dass man nichts falsch machen möchte um die Normen und Gefühle der Gesellschaft und Personen einem Gegenüber verletzen will. 11935726_866618383425611_1345468452_nEin Beispiel: Am Sonntag haben wir uns zusammen in einen kleinen Park an der Uni gesetzt und zwei Tische zusammen gestellt um zusammen Mandu (kor. 만두,Teigtaschen mit einer Fleisch Gemüse Füllung) zu essen. Wir waren dann nochmal kurz im Dorm um ein paar Dinge zu erledigen. Als wir zurück kamen um dort etwas zu trinken, saß an unseren zusammengestellten Tischen alleine eine ältere Frau. Da sonst nichts frei war haben wir uns zu ihr gesetzt. Uns war klar, dass sie sicher nicht lange mit uns jungen, trinkenden Leuten dort verweilen würde. War das jetzt aber unhöflich, bzw. unhöflicher als wenn wir das in Deutschland gemacht hätten? Wir hätten sie gerne gefragt ob wir uns dazu setzen können, dass macht die Sprachbarriere aber leider unmöglich. Die Frau hat uns dann noch nett lächelnd einige Sätze auf koreanisch zum Besten gegeben und viel dabei gelacht. War das jetzt die freundliche koreanische Art und Weise uns auf unseren Normenverstoß aufmerksam zu machen oder doch die verständnisvolle Person die eh grade gehen wollte? Älteren Leute sollte man in Korea mit dem nötigen Respekt gegenübertreten, aber wo verlaufen da die Grenzen. Was zählt als „jugendlicher Unfug“ und was ist dann doch vielleicht schon beleidigend? Ich hoffe der Sprachkurs und der Aufenthalt hier wird mir die kulturellen Normen hier näher bringen.

Interessant war in der Hinsicht auch die „Orientation“-Veranstaltung. Alle Austauschstudenten (ca. 250) wurden eingeladen sich in einem großen Hörsaal einzufinden um mehr über das Leben an der Uni zu erfahren. Und dies besteht in erster Linie aus Regeln. Es wird schon sehr zielstrebig mitgeteilt was man darf und was zu unterlassen ist. Alles wird mit einem netten Lächeln und nicht ganz schlüssige Kausalketten vorgetragen. Das internationale Fußballteam der HUFS stellte sich z.B. vor. Nicht nur in den Kursen oder im Dorm wird streng auf minutengenaue Pünktlichkeit und Anwesenheit gepocht. Auch zum Sport sollte man lieber nicht zu spät kommen. 11948107_866618470092269_1345351666_nDer Strafenkatalog startet bei Geldstrafen von 10.000 KRW (8€) für nicht erscheinen und kann bis zum Ausschluss aus dem Team führen. Ist man nicht mit dem Teamcaptain einer Meinung, ist es verboten hinter seinem Rücken (!) sich über ihn zu beschweren. Kommt dies raus, kann das ziemlichen Stress geben. „Denn Fußball soll Spaß machen und Spaß hat man nur wenn man gewinnt. Gewinnen können wir nur wenn wir ein Team sind und das geht nur wenn alle die Regeln befolgen.“ Was beim Soccerteam noch einigermaßen als plausibel akzeptiert werden kann, wird beim Globee Dorm (das strenge Studentenwohnheim) dann doch eher unglaubwürdig. Aber Hauptsache lächeln wenn man erzählt, wie böse es ist wenn man nicht bescheid gibt, dass man mal einen Abend doch spontan länger weg bleibt als geplant. 2 Penalty Points! Bei 20 ist Schluss und man darf das Haus verlassen. Um noch ein bisschen abschreckend zu wirken wurde noch die kriminelle Geschichte erzählt, wie mal ein Junge bei einem Mädchen erwischt wurde und er direkt seine Sachen packen durfte. Erziehungsmaßnahmen aus einer anderen Zeit.

Sogar der Polizei Officer der naheliegenden Polizeiwache wurde zur Veranstaltung geladen um uns darüber aufzuklären wo man ihn findet, aber vor allem um uns zu sagen was bestraft wird. Die Blase fing nach 2-3 Stunden Informationsveranstaltung langsam an zu drücken. In einem guten Moment probierte es Max mit einem kurzen Break fürs Klo. Er machte aber nicht die Rechnung mit der guten Frau die den Regelkatalog zum Besten gab. Mit einem Fingerzeig machte sie ihn schnell auf sein Fehlverhalten die Veranstaltung kurzeitig verlassen zu wollen aufmerksam. So durfte er wieder Platznehmen und nicht auf die Toilette. Das sind wir dann doch etwas anderes gewöhnt.

Die HUFS International Student Organization (ISO) stellte sich auch vor. Eine große Gruppe an Studierenden aus Korea die sich um die neuen „Internationals“ kümmert, Veranstaltungen für uns organisiert und uns Ansprechpartner zuteilt: Den sogenannten Atti, was im koreanischen soviel wie „alter Freund“ heißt. 11923368_951340331579407_675457279_nMein Atti ist Kwon MinJeong (der Nachname kommt im koreanischen zuerst), bzw. Nelly. Um es uns einfacher zu machen, gebe sich die koreanischen Studierenden gerne solche für uns leichter zu merkenden westlich klingende Namen. Beeindruckend finde ich, dass sie sich im Gegensatz zu mir, scheinbar alle Namen der Austauschstudierenden merken können. Meinen Namen kennen aber eh alle hier: „Oh you are Stefan?“, habe ich jetzt schon öfter gehört. Letztes Jahr war wohl ein sehr beliebter deutscher Austauschstudent namens Stefan an der HUFS. Ich habe also große Fußstapfen vorgefunden in die ich treten muss. Aber in Leipzig kennt mich ja auch jeder. Also nichts neues für mich ;-) Das ISO Team macht uns den Anfang auf jeden Fall leichter und hat uns durch Ice-Breaking-Games den Kontakt zu den anderen „Internationals“ sowie auch zu ein paar koreanischen Studierenden erleichtert. Tolle Sache bei der ich mich gerne selbst engagieren würde. 11922959_866621526758630_1307915063_nAber ich werde das vermutlich zeitlich nicht schaffen. :-( So bleibt für mich nur die Möglichkeit an einem Buddy-Programm teilzunehmen. Dabei wird einem eine koreanische Komilliton_In zugeteilt, mit der man unabhängig vom ISO etwas in der Freizeit machen kann. Das sehe ich als gute Chance um einfacher Kontakte zu Koreaner_Innen zu knüpfen. :-)

Einmal Hühnchen mit Hühnchen bitte!

Mittwoch Morgen. 6 Uhr. Mein Schlafrythmus ist immer noch verquer. Nach 3 Stunden Nachtruhe bin ich zwar nicht wirklich fit, aber zum Schlafen komme ich auch irgendwie nicht mehr. Also erst mal 2 Stunden mit der Heimat Skypen. Die Uhrzeit bietet sich förmlich dafür an, wir haben ja grade 23 Uhr MESZ. Danach heißt es Sachen packen, auschecken und weiterziehen in Richtung Studierendenwohnheim International House B wo ich das kommende Jahr über wohnen werde.

Dafür geht es runter in die Subway. Für günstige 1350 KRW (1€) komme ich so am schnellsten von Yongsan nach Dongdaemun. In der Hoffnung in die richtige Richtung zu steigen finde ich Gleise vor, die vollständig durch Glasscheiben geschützt werden. Kluge Sache, so kann niemand so leicht auf selbige fallen. Auf einmal ertönt eine triumphal anmutende Melodie aus den Lautsprechern. Die Bahn fährt ein und die automatischen Glastüren öffnen sich. Die Subway ist gut gefüllt und keine Sitzplätze mehr frei. Ich kann die Fahrt über aber trotz des ganzen Gepäcks entspannt stehen. Beim Umsteigen dann erste kleine Probleme. Ich hatte mir den Subway Plan nur flüchtig angeschaut und mir gemerkt, dass ich die Linien 4 und 1 nehmen muss. Welche der beiden Linien ich grade aber verlassen hatte, war mir scheinbar nicht mehr bewusst. Also fahre ich die Rolltreppe hoch, folge zielstrebig den Schildern zur Linie 4, gehe die Treppe wieder runter und steige dummerweise in die selbe Linie ein, aus der ich gerade erst ausgestiegen bin. Zu meinem Glück sollten sich die beiden Linien ein erneutes mal kreuzen, wodurch sich der Umweg in Grenzen hielt. Als ich die Subway Haltestelle Hankuk University of Foreign Studies dann erreicht habe und verlassen will, ertönt plötzlich ein schriller Alarm und vor mir versperren zwei zugehende Schranken den Weg. Ich hatte durch den Umweg wohl zu lange gebraucht und musste 100 KRW (0,08€) nachzahlen. Verkraftbar.
11950937_864895683597881_1243611059_nDraußen erspähe ich dann nach kurzer Orientierungslosigkeit am Ende der Straße das Hauptgebäude der HUFS, welches ich bereits von Bildern aus dem Internet kannte. Ein imposanter schöner „Klotz“ wie ich finde. Von dort aus frage ich mich zum Studierendenwohnheim durch, bis auf einmal ein bekanntes Gesicht vor mir steht. Ich treffe Ricardo, ein Leipziger Student den ich im Zusammenhang mit dem Austausch im Vorfeld kennen gelernt hatte. Er zeigt mir in welches Gebäude ich muss und wo sich mein Zimmer befindet. Der mir genannte Code zum Tür öffnen funktioniert leider nicht. Kein Problem. Ein junger Mann (ein Spanier mit koreanischen Wurzeln wie sich herausstellte) nur in Unterhose gekleidet öffnet mir von innen die Tür. „Hi I’m Stefan. I think we will live together.“ „Oh…. I have a room mate????“. Er freut sich scheinbar riesig mich kennen zu lernen [sic]. Ich finde ein ziemlich unordentliches Zimmer vor in dem ich Probleme habe einen freien Platz für mein Gepäck zu finden. Das Badezimmer ist komplett in rot gehalten. Ah ne Moment, das ist der Rotschimmel der quasi flächendeckend seine Bahnen durch das Bad zieht. Als nächstes werde ich angeschnauzt weil ich die Schuhe nicht ausgezogen habe. Was soll denn hier noch dreckiger werden, denke ich mir. Nun freue ich mich auch riesig mit ihm ein Jahr lang zusammen zu wohnen. Als ich dann noch Corey auf dem Flur kennen lerne, der zuvor mit meinem neuen Roommate zusammen gewohnt hat, hat auch dieser leider nicht sonderlich viel positives von ihm zu berichten. Das kann ja heiter werden. :-(

Nach diesem Dämpfer geht es wieder rüber auf den Campus (ca. 1 Hundertstelsekunde von meiner neuen Wohnung entfernt). Ricardo zeigt mit das Gebäude in dem sich das Office of International Studente Service (OISS) befindet. Einige total begeisterte Gesichter empfangen mich hier und erklären, dass ich die Miete in höhe von 1.300.000 KRW für die kommenden vier Monate im voraus zahlen muss. Das sind umgerechnet ca. 250€ monatlich was in Seoul (und in vielen deutschen und internationalen Städten) wirklich einem Spottpreis gleicht. Cool, bleibt mehr Geld zum reisen, essen gehen und Putzmittel für das Bad kaufen übrig. Ich lerne hier auch Niklas und Johannes kennen, die sich bereits seit zwei Wochen kennen und in dieser Zeit schon ein wenig Südkorea bereist haben. Wir kommen weiter ins Gespräch und finden heraus das Niklas der neue Zimmergenosse von Ricardo sein wird. Johannes hat Glück und muss sich das Zimmer gar nicht teilen. Als ich dann über meine Wohnmisere berichte, ernte ich großes Mitleid und es entsteht die Idee eine kleine Zimmerrochade durchzuführen. Wir fragen freundlich nach, ob nicht Niklas und Johannes sowie Ricardo und ich uns ein Zimmer teilen können. Und tatsächlich, zwei Klicks später hat die nette Dame mir sicherlich einen großen Teil meines Aufenthalts hier erleichtert.

Mit jetzt super guter Laune lerne ich in den kommenden Stunden viele nette Leute kennen. Viele kommen aus Deutschland. Unser ganzer Flur besteht fast nur aus deutschen Austauschstudenten. Irgendwie gut um leicht Kontakte zu knüpfen und zu merken, ob man auf einer Wellenlänge ist. Andererseits schade, dass man dadurch natürlich automatisch weniger internationale Freundschaften knüpfen wird. Ziemlich cool ist aber, dass sobald jemand dazu kommt der kein deutsch spricht, wie selbstverständlich auf englisch weitergesprochen wird.

11944969_864895666931216_1291343193_nNach einer chaotischen zweistündigen Shopping Tour um Bettzeug und ein paar Alltagsgegenstände zu kaufen, gingen wir in einer größeren Gruppe koreanisches Barbecue essen. Dabei steht in der Mitte des Tisches eine Grillplatte auf der das Fleisch und ein paar andere Köstlichkeiten angebraten werden. Dazu werden unzählige Beilagen und Suppen etc serviert. Die Beilagen sind quasi Umsonst dabei, wenn etwas leer ist kann man einfach neues anfordern. Wasser gibt es auch immer überall gratis dazu. Könnten die deutschen Restaurants sich eine Scheibe von abschneiden ;-) Das ganze schmeckt natürlich mega gut und war diesmal auch nicht so scharf wie das Chicken Teriyaki am Montag Abend. Rund um den Campus (und wie vermutlich überall in Seoul) gibt eine riesige Auswahl an solchen Restaurants. Wenn ich in einem Jahr kugelrund nach Europa zurück rolle, wisst ihr wo ich die meiste Zeit war. :)

11920587_864895643597885_663275310_nAnschließend ist Party Time angesagt. Im Partyviertel Hongdae haben wir uns erst einmal in einem Park niedergelassen um anschließend vor einem Späti zu trinken (ich habe extra eine Koreanerin nach der Bezeichnung gefragt, hab’s aber natürlich wieder vergessen). Dabei haben wir erst mal reichlich Bier und Soju konsumiert. Soju ist ein Reisschnaps mit 20% Alkoholgehalt vergleichbar mit Wodka. Ohne Geschmack riecht er auch so, ist im Abgang aber deutlich milder und besser genießbar meiner Ansicht nach (hat ja auch weniger Prozente). Das ganze gibt es dann noch in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Richtig leckeres Zeug und man katert irgendwie nicht so rum am nächsten Morgen ;) Ziel des Abends ist dann letztendlich eine International Student Welcome Party. Nach gefühlten 2 Stunden Fußmarsch sind wir auf einmal an einem Platz vor der Disco wo NUR noch Europäer und Amerikaner aufzufinden sind. Genauso sieht es natürlich auch auf der Party aus. Jetzt im Nachhinein muss ich aber zugeben, dass die Erinnerungen eher blass sind :-D Die Nacht war ultra witzig und lang. Um 7 Uhr standen Ricardo und ich dann vor unserer Zimmertür und kamen nicht mehr rein. 20 verzweifelte Minuten gaben wir den Code zum öffnen immer wieder erneut ein. Man hörte auch wie der Mechanismus versuchte die Tür zu öffnen, der Code stimmte also. Es passierte aber nix. Wir sind wirklich fast ausgeflippt. Bis wir so laut waren und Fabis heilende Hand den Ziffernblock berührte und die Tür endlich aufging. 11910976_1047108852012629_183862259_nWir waren schon etwas froh, dass wir die erste Nacht nicht auf dem Flur verbringen mussten. Am nächsten Tag gingen wir der Sache auf den Grund: Die Batterien des Schlosses waren einfach leer. Wir müssen also in der Zukunft nicht erst Fabi wecken um in unsere Wohnung zu kommen ;-)

Der nächste Tag begann dann recht spät mit einem Abendessen. Mit Händen und Füßen und Bildchen wurde wieder bestellt. Man weiß so oft leider vorher gar nicht was genau man da jetzt gleich essen wird, wie groß die Portionen sind und ob man das überhaupt richtig isst. Wir bekamen letztendlich Hühnchen in einer scharfen Suppe, Hühnchen in einer fast geschmacklosen Suppe und Nudeln mit Eiswürfeln. Verrückt. In ein paar Monaten weiß ich bestimmt mehr. Dazu gab es natürlich wieder viele Beilagen wie Kimchi etc. Kimchi ist Gemüse das durch Milchsäuregärung zubereitetet wurde. Ist für mich noch etwas gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber auch je nach Restaurant immer anders. Den Rest des Abends haben wir dann noch bei einem Bier vor dem Globee Dorm ausklingen lassen. Das ist das Studierendenwohnheim auf dem Campus mit einer Ausgangssperre und Strafpunktekatalog bei Regelverstößen (Ihr könnt ahnen warum ich nicht in dieses Wohnheim gegangen bin?). Der Preis für das Wohnheim ist etwas günstig, aber durch die Bestimmungen mussten die armen Leute uns aus ihrem Zimmerfenstern beim entspannte zusammensitzen und abschalten zugucken ;-) Weiter geht’s am Freitag mit dem Orientation Day an der Universität. Ich bin gespannt wie schnell ich mich orientiere ;-)

Mit Händen und Füßen

Juhuuu, endlich hat das Warten ein Ende. Nach einem Jahr Anstrengungen, Planung und Organisation, einem hinten raus immer länger werdenden Sommersemester, endlos erscheinen Abschiedsorgien in Leipzig und einer schönen letzten Woche bei meiner Familie, am Sonntag Morgen dann endlich der Start in mein Abenteuer: Ein Jahr Seoul, die asiatische Welt, 1000 neue Erfahrungen, viel Spaß, neue Leute, das Essen, die Stadt, die Sprache und und und. Mehr Aufbruchsstimmung geht gar nicht. Und dann die Ankunft. Es ist alles so faszinierend und … irgendwie ernüchternd. Rumms! Jetzt sitze ich um 5 Uhr Morgens Ortszeit senkrecht im Bett und will wieder nachhause. Neee ganz so schlimm ist es nicht. :D Aber fangen wir vielleicht vorne an.

Im Mai 2014 habe ich den Entschluss gefasst über ein Austauschprogramm eine für mich neue Welt zu entdecken. In die engere Auswahl der möglichen Partneruniversitäten schafften es vor allem Indonesien und Südkorea. Desto mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte kristallisierte sich heraus, dass die Hankuk University of Foreign Studies in Seoul (HUFS) die ideale Gastuniversität für mich sein wird. Sie bietet ein großes Angebot an englischsprachigen Kursen, die sich mit soziologischen, kulturellen und politischen Fragestellungen auseinandersetzen. Das ist nicht sonderlich typisch für den asiatischen Raum und hat im Zusammenhang mit der jungen Geschichte des aufstrebenden demokratischen Sozialstaates, eine besondere Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Indonesien lockte dahingehend mit mehr Urlaubsfeeling, einer Surferboy Karriere an Javas Stränden und einem Demonstrationsverbot für ausländische Studierende. Wäre ja auch blöd wenn jemand von außen kommend eine unliebsame Meinung ins Land trägt. Wer über meinen Hang zu Polizeikesseln und meine ungebremste Leidenschaft einen Klicker in der Hand zu halten bescheid weiss, erkennt die Diskrepanz die sich für mich dabei ergibt. Letztendlich fiel so also die Wahl bei der Bewerbung Ende November 2014 auf Südkorea, was meine Koordinatorin vom Auslandsamt mit ihrer Nominierung Ende Januar 2015 bestätigte.

Von da an startete ein Marathon an Planung, Organisation und Vorbereitungen. Impfungen, Gesundheitsnachweis, Visum, Unterlagen für die HUFS, Wohnheimsplatz-Bewerbung und alles weitere, was sonst noch dazu gehört. Besonders viel Zeit und Energie hat mich die Bewerbung um Stipendien gekostet. Die Motivationsschreiben sollten ja auch perfekt sein. Besonders wenn man kein Einser-Bachelorzeugnis vorzuweisen hat und man die ersten Noten aus dem Masterstudium lieber ernüchternd verschwiegen hätte. Und nach ewigen drei Monaten Wartezeit war sie da: Die so weit entfernt geglaubte Einladung. Die einmalige Chance im Juni beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Bonn, für ein Jahresstipendium vorstellig zu werden. 10 Minuten Gespräch mit einem Gremium aus Universitätsprofessoren und DAAD Angestellten die über ein Jahr Komplettfinanzierung entscheiden sollten. Wenige Tage später dann aber die Absage im Postfach und Ernüchterung die sich breit machte. Ich haderte mit mir selbst und fiel in ein kleines Loch. Was habe ich falsch gemacht? Warum konnte ich die Fragen nicht souveräner beantworten? Vermutlich hätte ich eine Absage in der ersten Bewerbungsrunde zu deutlich weniger Enttäuschung geführt. Als dann Mitte August (also eine Woche vor der Abreise) auch noch eine Absage vom Promos Stipendium kam, die mich immerhin mit einem drittel der Summe für ein Semester gefördert hätte, war die Laune dann erst mal ganz unten und das Ego komplett im Eimer. Das zieht einen wirklich runter und trübt die Vorfreude ungemein. Die Lebenserhaltungskosten in Südkorea sind ziemlich hoch. Zudem plane ich das Land und Asien zu bereisen. Geld von außen hätte das alles viel leichter gemacht. Ich habe mich natürlich nicht auf die Stipendien verlassen und werde auch dank familiärer Unterstützung (dicken Kuss an Omi) und einer Spendenhotline die ich einrichten werde (nooot) das Jahr finanzieren können. Die Strahlkraft welche nach dem ganzen Aufwand und dem Hoffen die Absagen aber mit sich bringen, ist leider ein beeinflussender Faktor auf die Vorfreude.

Am Sonntag Morgen, den 23.August 2015 war es dann aber so weit. Ein flaues Gefühl machte sich schon in der Magengegend breit als wir pünktlich gegen 10 Uhr Schulder-Time (also 10:30 Uhr) Unna in Richtung Frankfurt am Main Flughafen aka Tor zur Welt verließen. Das muss dann wohl die Vorfreude auf das Unbekannte sein, dachte ich mir. Mama, Papa und Marc begleiteten mich noch zum Gepäckschalter (30 Kg erlaubt, die Waage der unentspannten Schalter-Tante zeigte 29,7 Kg an: Packweltmeister!) und anschließend zum Gate, wo es dann erst mal für ein Jahr Abschiednehmen hieß. Lange Zeit für Gefühle blieb nicht. Ich wollte endlich die Schleusen passieren und das Parken am Flughafen ist für meine Eltern ja auch nicht ganz billig. ;-) Also durchlief ich die gewohnten Sicherheitschecks und stieg in meinen Flieger nach Dubai. Pünktlich um 15:20 Uhr deutscher Zeit ging es dann mit dem Airbus 380-800 auf das Rollfeld und in die Luft, um 6 Stunden später sicher in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu landen.

Dubai im Landeanflug bei NachtÜber den Aufenthalt am Flughafen vor dem Anschlussflug hatte ich im Vorfeld schon verschiedenes gehört. Über stinkende Füße, massenhaft Menschen die dort auf dem Boden schlafen, zu kalt eingestellte Klimaanlagen und tollen Geschäften in denen man sich die Zeit vertreiben kann. All das fand ich zwar während meines vierstündigen Aufenthalts nicht vor (die Geschäfte findet man schon, aber toll sind die nicht), dafür quälte ich lieber das Internet. Eine Stunde pro Person war die Marschroute. Haha nicht mit Pfiffikus Stefan. Hab ja zwei Geräte mit Smartphone und Laptop. Also zwei Stunden Free Wifi wohooo. Endlich wieder Surfen, nachdem ich ja auch schon aufmeinem Flug 10 Mb freies Netz ausgenutzt hatte.

Flugroute von Dubai nach SeoulMit 45 Minuten Verspätung ging es dann um 04:30 Uhr Ortszeit (02:30 Uhr MESZ) mit dem Flieger weiter in Richtung Endstation: Incheon Airport. Die Flüge waren beide echt entspannt, das Essen und Bier sowie insgesamt der Service bei Emirates echt gut. Essen an BoardGeschlafen habe ich auch den Umständen entsprechend sehr gut. Nur die Verspannung in meinen Schultern, stellte sich als unliebsame Begleiterscheinung der langen Flugreisen heraus. In Incheon gelandet wurden zunächst „Quarantine Questionnaires“ verteilt und meine Temperatur gemessen. Maßnahmen die in Folge des Mers-Virus getroffen werden, der seit Mai 2015 grasierte und mehrere Todesopfer in Südkorea gefordert hatte. Nach zunächst fahrlässigem Umgang mit der Infektionskrankheit und vielen Erkrankten, konnte die Regierung in der Folge durch solche Kontrollen und Quarantäne Maßnahmen den Ausbruch eindämmen. Mittlerweile ist das Ansteckungsrisiko wohl bei Null.

Als nächstes ging es in die riesige Schlange am Passport-Schalter. Eine Stunde warten und einen Stempel später hieß die nächste Mission Busticket kaufen und Geld abheben. Ersteres war einfach, der Bankautomat glich meiner Ansicht nach aber eher einem Spielautomaten. Witzige bunte Bildchen, Stimmen die mit einem auf koreanisch sprechen und tausende Schaltflächen mit koreanischen Lettern. Am dritten Automaten klappte es dann auch mit dem Geldabheben. 200.000 KRW (ca. 150€) sollten zunächst für etwas Unabhängigkeit in meinem Portemonnaie sorgen. Kurz mit den Scheinen in der Luft gewedelt stieg ich in die Airport Bus-Limousine. Und der Name hielt was er versprach. Super breite Luxussessel für einen entspannten Transfer nach Seoul. Knapp 1,5 Stunden später hatte ich tatsächlich die Durchsage richtige verstanden und verließ um 21:15 koreanischer Zeit an der richtigen Haltestelle „Sookmyung Womens University“ den Bus und machte mich zu Fuss auf in Richtung Banana Backpackers Hostel. Meine Bleibe für die ersten zwei Nächte.

Streets of SeoulAuf dem Weg dorthin kam ich an unzähligen kleinen Essensständen vorbei. Überall roch es nach frittierten Fleisch und Fisch. Ziemlich geil wenn man Hunger hat und weiss, dass man gleich nach dem Hostel Check-in wieder zurückkehren wird. Zudem an jeder Ecke ein „Späti“ (die koreanische Bezeichnung liefer ich nach). Und das alles wieder begleitet durch große koreanische blinkende Buchstaben an den Hausfassaden. So hatte ich mir Seoul vorgestellt. Eine schöne erste Momentaufnahme nach der Ankunft.

Mit 2,5 Stunden Verspätung kam ich dann im Hostel an. Ein netter Herr zeigte mir mein Einzelzimmer und erklärte mir alles was ich wissen muss auf englisch. Das Zimmer ist nett, mit Klimaanalage, eigener Dusche und WC, ein van Gogh an der Wand und ein 140cm Bett für mich alleine. Geil. Kurz ein paar Nachrichten über meine erfolgreiche Ankunft an Freund_Innen und Familie geschickt, machte ich mich auf zu einem der erspähten Fresstempel. Mit englisch kam ich hier leider nicht weit, also bestellte ich mit Handzeichen und nickend mein Gericht bei einem sehr freundlichen Kellner: Chicken Teriyaki weil es das einzige auf der Karte war, auf das ich Appetit hatte und wo nicht „hot“ oder „spicy“ dranstand.

Chicken Teriyaki, Sides und das leben rettende BierDer Schein trügte, bzw. ich muss mich wohl krass umstellen. Mein Mund brannte total, die Beilagen und das bestellte Bier stellten sich als Lebensretter heraus. Meine Nase floss permanent. Ich versuchte es hochzuziehen, aber es gelang mir irgendwann nicht mehr. Im Voraus habe ich gelesen, dass es in Korea als unhöflich gilt sich die Nase in der Öffentlichkeit zu putzen (das Hochziehen aber ist dahingehend ok). Der Gedanke ein vollgeschnäuztes Taschentuch in der Hosentasche zu haben, gilt laut Literatur als unhygienisch. Also ging ich auf die Toilette und erledigte das für mich so selbstverständliche Naseputzen dort. Ich wollte ja kein Aufsehen erregen. Ich werde dem aber noch nachgehen, ob diese Norm so gelebt wird. Der Preis für das Menü erstaunte mich auch etwas. Ich hatte gehört, dass Essen gehen hier sehr günstig sein würde. Insgesamt zahlte ich aber immerhin 16.000 KRW (12€) für eine der billigsten Speisen zusammen mit dem Bier. Bin ich zu sehr verwöhnt von den Leipziger Preisen, oder war ich nur im „falschen“ Restaurant?

Alleine mein Menü mampfend, saß ich nun also da. Ein wegen der Schärfe schwitzender, andersaussehender Junge der kaum ein Wort der Landessprache beherrscht und sich durch nett lächeln fortbewegt. Seit 24 Stunden ohne wirklichen sozialen Austausch und geschafft von der Reise. Ein Jahr Planung und man ist nicht hellauf begeistert sondern irgendwie ernüchtert. Wenn dann auch noch der tolle Schlafplan doch nicht klappt und man die halbe Nacht wach liegt und erst von 8-14 Uhr Ortszeit zum Schlafen kommt, dann drückt auch noch der Jetlag auf das Gemüt. Ich will zurück nachhause!

Nein natürlich nicht. Mund abputzen und weiter geht’s. Der zweite Tag ist zwar schon durch das lange schlafen halb vorbei, aber die Laune und die schönen Eindrücke wieder zurück. Meine Verabredung mit Alina, die ich in Leipzig im Sprachkurs kennengelernt habe und die hier seit Anfang August ein Praktikum macht, ist leider dank des Regenwetters ins Wasser gefallen. Also machte ich mich alleine auf den Weg mein Viertel Yongsan-gu zu erkunden. Wenigstens noch ein bisschen rauskommen, etwas essen und ein paar Eindrücke sammeln. Jetzt traute ich mich auch endlich ein paar Brocken koreanisch aus mir herauszubringen. Auf dem Markt reichten die Worte Hallo, zwei und Danke, immerhin dazu, drei Bananen zu erhalten :D Entweder muss ich noch weiter üben oder die Dame war eine sehr tüchtige Geschäftsfrau. Vielleicht tut die Ruhe auch etwas gut. Ab Morgen wird es dann nämlich umso lebendiger und aufregender. Morgen früh werde ich mich auf den Weg machen und in mein Studierendenwohnheim International B einziehen. Dort werde ich mir mit einer weiteren Person das Zimmer teilen und im Laufe des Tages auf meine Leipziger Kommiliton_Innen Ricardo, Diandra und Daniel treffen. Vorfreude :) Das koreanische Abenteuer ist also ein Entwicklungsprozess. Schon jetzt habe ich bemerkt, wie schnell man kleinere höhen und tiefen mitmacht. Wie sollte es auch anders sein, in einer für einen selbst völlig fremden Kultur? Ich bin aber optimistisch, dass sich in der kommenden Zeit die positiven Aspekte häufen werden. 안녕히가세요.